Orientierung der Ameisen: Jeder Hinweis zählt

Orientierung der Ameisen: Jeder Hinweis zählt
Orientierung der Ameisen: Jeder Hinweis zählt
Anonim

Suchende Wüstenameisen finden immer ihren Weg zurück zum Nest, selbst wenn es nur durch einen magnetischen Hinweis, Vibration oder Kohlendioxid markiert ist.

Wüstenameisen haben sich an ein Leben in einer kargen Umgebung angepasst, die nur wenige Orientierungspunkte bietet. Neben visuellen Hinweisen und Gerüchen nutzen die Ameisen das polarisierte Sonnenlicht als Kompass und zählen ihre Schritte, um nach der Nahrungssuche sicher nach Hause zurückzukehren. Verh altensforscher des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie in Jena haben nun in Experimenten mit Ameisen der Gattung Cataglyphis in ihren natürlichen Lebensräumen in Tunesien und der Türkei entdeckt, dass Ameisen auch magnetische und vibrierende Orientierungspunkte nutzen können, um sich zurechtzufinden zurück zu ihrem Nest – einem kleinen Loch im Wüstenboden. Darüber hinaus hilft Kohlendioxid, das durch die Atmung ihrer Nestkameraden entsteht, den heimkehrenden Ameisen, ihren Nesteingang zu lokalisieren. Daher erweisen sich die Navigationsfähigkeiten der Ameisen als enorm anpassungsfähig an ihre unwirtliche Umgebung.

Pfadintegration ist ein faszinierender Mechanismus, den Ameisen zur Orientierung nutzen. Es kombiniert das Zählen der Schritte nach Verlassen des Nestes mit der Bestimmung der Richtung durch polarisiertes Sonnenlicht. Diese Methode, die den Insekten hilft, in ihr Nest zurückzukehren, ist eine wichtige Überlebensformel in den kargen Umgebungen der Wüsten. Der Pfadintegrator ist jedoch fehleranfällig. Daher nutzen auch Ameisen Orientierungspunkte, um schnell und zielsicher nach Hause zu finden: Sowohl visuelle als auch olfaktorische Orientierungspunkte dienen als wichtige Hinweise. Für Ameisen ist es eine Frage von Leben und Tod, das richtige Nest zu finden, denn sie könnten von ansässigen Ameisen getötet oder zumindest angegriffen werden, wenn sie versehentlich das falsche Nest betreten.

Von Blattschneiderameisen ist bekannt, dass sie Vibrationssignale zur Kommunikation nutzen. Dass Ameisen – wie Vögel – auch das Erdmagnetfeld spüren, wird immer wahrscheinlicher. Daher wollten die Forscher im Labor von Markus Knaden, Verh altensforscher in der Abteilung von Bill Hansson am Max-Planck-Institut für chemische Ökologie, herausfinden, ob Wüstenameisen − angepasst an Landschaften mit einem Minimum an Hinweisen − in der Lage sind, Magnetismus und Vibration zu nutzen Signale in Abwesenheit anderer Orientierungspunkte. „Wir waren sehr überrascht, dass das tatsächlich so ist“, sagt Doktorandin Cornelia Buehlmann, die die Experimente durchgeführt hat. Abgerichtete Ameisen der Art Cataglyphis noda konnten ihr Nest problemlos lokalisieren, wenn ein batteriebetriebenes Vibrationsgerät neben dem Nesteingang vergraben war, damit die Ameisen ihr Nest anhand der Vibrationsmarke lokalisieren konnten. Um elektromagnetische Effekte des Gerätes auszuschließen, wurden Versuche mit dem Vibrationsgerät ohne Bodenkontakt durchgeführt. Das Ergebnis: Die Ameisen verhielten sich wie ihre ungeschulten Artgenossen. Sie irrten ziellos umher. Wenn zwei starke Neodym-Magnete, die ein Magnetfeld von etwa 21 Millitesla erzeugen (das Erdmagnetfeld betrug zum Vergleich nur 0,041 Millitesla), oberirdisch neben dem Nest platziert wurden, fanden dressierte Ameisen wieder problemlos ihr Zuhause.

Die Experimente demonstrierten die hochsensible Reaktion der Wüstenameisen auf Vibrationssignale. Es ist jedoch unbekannt, welcher Sinn an der Orientierung mit dem künstlichen Magnetfeld um das Nest herum beteiligt ist. „Das bedeutet nicht, dass Ameisen eine Art Sinnesorgan zur Erkennung von Magnetfeldern haben. Ihr Verh alten könnte auch durch abnormale neuronale elektrische Signale aufgrund des starken Magnetfelds verursacht werden, die von den Ameisen gespeichert wurden“, sagt Knaden. In der natürlichen Umgebung von Nesteingängen dürften jedenfalls weder Vibrationen noch starke Magnetfelder vorhanden sein. Daher ist es wirklich erstaunlich, dass sich Ameisen Vibrationen oder ein sich änderndes Magnetfeld als Orientierungspunkte für Nester „merken“. Ameisen, die sich an extrem unwirtliche Lebensräume angepasst haben, scheinen bemerkenswert flexibel zu sein, wenn es darum geht, alle Sinne für die Navigation einzusetzen.

Kohlendioxid, das durch die Atmung der Ameisen entsteht, ist ein Geruchssignal, das ständig an den Nesteingängen vorhanden ist. Dass Wüstenameisen der Art Cataglyphis fortis die CO2-Fahne nutzen, um in ihre Heimat zurückzukehren, konnten nun Experimente in Tunesien zeigen. Die Ameisen liefen gegen den Wind entlang der Nestfahne, wenn die CO2-Konzentration nicht zu hoch war und der typischen Schwadenkonzentration in der Nestumgebung entsprach. Allerdings wird CO2von allen Nestern freigesetzt und daher riechen alle Nester gleich.

Daher stellt sich die Frage: Wie können Ameisen ihr eigenes Nest erkennen, wenn alle nach Heimat riechen? „Wir konnten in einer Reihe von Experimenten zeigen, dass Ameisen in erster Linie auf Pfadintegration angewiesen sind“, erklärt Cornelia Buehlmann. Wurden Ameisen in unmittelbarer Nähe ihres eigenen Nestes von Hand freigelassen, nachdem sie zu einem Futterplatz gegangen waren, vermieden sie es, der ursprünglichen Nestfahne ihres eigenen Nestes zu folgen: Das olfaktorische Signal und die Anzahl der Schritte stimmten nicht überein. Um ihr Leben nicht in einem fremden Nest zu verlieren, vertrauen Ameisen der Pfadintegration mehr als dem chemischen Signal CO2 Sie folgen der Nestfahne nur, wenn die Pfadintegration ihnen sagt, dass sie in der Nähe ihres Zuhauses sind.

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